GhostBSD Teil 1 - Erste Eindrücke
16.07.2023Warum fange ich jetzt auch noch an mit GhostBSD rumzuspielen?
Leider wurde im Juli 2022 angekündigt, dass openSUSE Leap als klassische Linux Distribution eingestellt werden und durch ein auf ALP (Adaptabel Linux Platform) basierendes Produkt abgelöst werden soll. ALP ist ein immutable Linux System bei dem Anwendungen in Containern (Flatpaks) laufen sollen. M. E. wirft damit ALP die größten Vorteile von Linux gegenüber Microsoft Windows über den Haufen:
- Shared Libraries: eine Programmbibliothek existiert nur einmal auf einem installierten Linux System. Das spart Arbeitsspeicher und Festplattenplatz = resourcenschonend
- Zentrale Paketverwaltung: Sämtliche Anwendungsprogramme werden über eine zentrale Paketverwaltung der Linux Distribution installiert, aktualisiert und ggfs. deinstalliert = Komfort
- Sämtliche Anwendungsprogramme werden in offiziellen Softwarerepositorien einer Linux Distribution gepflegt, qualitätsgesichert und aktualisiert. Sämtliche Anwendungsprogramme können aus einer vertrauenswürdigen Quelle installiert werden = Sicherheit
Aus diesen Gründen möchte ich weiterhin bei klassischen Linuxdistributionen bleiben. Unter Linux sind da für mich Linux Mint und Debian GNU Linux interessant.
Die Neugierde hat mich jedoch auch dazu getrieben, noch mal FreeBSD eine Chance zu geben auch wenn meine Versuche mit FreeBSD in der Vergangenheit ziemlich frustierend waren.
Im Juli 2022 habe ich FreeBSD 13.1 ausprobiert und war erstaunt wie einfach zumindest das Basissystem zu installieren war. Eine Desktopumgebung zu installieren und das System alltagstauglich zu konfigurieren war dann schon eine Herausforderung die aber nach 2 Wochen FreeBSD Handbuch lesen und Internetrecherche gelöst war.
Hier meine persönliche Einschätzung von FreeBSD für den Privatanwender auf dem Desktop:
1. Vorteile
- Klassisches, unixartiges, Open-Source Betriebssystem
- Performant und resourcenschonend
- Zentrale Paketverwaltung, die automatisch Paketabhängigkeiten auflöst
- Offizielle Repositories, die die Installation, Aktualisierung und Deinstallation von Binärpaketen ermöglicht
- In den FreeBSD-Repositories stehen ca. 30.000 Programmpakete zur Verfügung. Alle Anwendungen, die ich unter Linux nutze, gibt es auch für FreeBSD
- Das Userland ist quasi ein Rolling Release mit häufigen Softwareupdates. Die gesamte Software ist immer auf einem sehr aktuellen Stand
- Sehr gutes deutschsprachiges Handbuch (FreeBSD Handbuch)
2. Nachteile
- Komplizierte und aufwändige Installation und Konfiguration des Systems
- Keine grafischen Systemkonfigurationswerkzeuge
- Rolling Release (nur Userland) mit häufigen Softwareupdates. Die Updates werden nicht gut qualitätsgesichert, so dass es häufig zu Problemen kommt (System startet nicht mehr, Desktopoberfläche kaputt usw.). Zumindest habe ich diese Erfahrung beim quaterly-Zweig gemacht.
- Unterstützt keine aktuelle Computerhardware. Auf meinem ein Jahr alten Acer Aspire 3 Laptop funktioniert z.B. das Touchpad nicht, weil Treiber fehlen. Hardware für FreeBSD sollte mindestens 3-4 Jahre alt sein. Je älter desto besser.
Da ich von openSUSE Leap sehr viel Komfort in der Systemverwaltung gewohnt war (YaSt) und das System immer sehr stabil lief war ich von FreeBSD nicht so wirklich begeistert.
Ich habe mir daher noch mal GhostBSD angeschaut. GhostBSD verspricht ein einfach zu installierendes auf FreeBSD-basierendes Desktopbetriebssystem zu sein.

Auf der Homepage http://ghostbsd.org stehen zwei ISO-Images zur Verfügung, die auf einen USB-Stick geschrieben werden können. Das offizielle Image mit MATE als Desktopumgebung und das Community Image mit XFCE-Desktop. Ich habe beide Images getestet, kann aber mit XFCE ablenkungsfreier und effektiver arbeiten. Ich habe mir das Image 23.06.01 heruntergeladen.
Das heruntergeladene Image muss zunächst auf einen USB-Stick geschrieben werden (Eine Anleitung steht auf der GhostBSD Homepage zur Verfügung). Mit dem bootfähigen USB-Stick startet man zunächst in ein Live-System mit XFCE oder MATE Desktopumgebung. Hier kann man das System kennenlernen und direkt testen, ob die Hardware von GhostBSD unterstützt wird. Wenn keine WLAN- oder LAN-Verbindung zur Verfügung steht, heißt das aber noch nicht, dass die Netzwerkkarte nicht unterstützt wird. Um herauszubekommen, ob die Netzwerkkarte erkannt wurde öffnet man am besten ein Terminal und gibt den Befehl 'ifconfig' ein. Wenn hier Einträge wie z.B. wlan0, re0 oder alc0 erscheinen, wurde die Netzwerkkarte vom Betriebssystem erkannt aber nicht automatisch korrekt eingerichtet. Das kann man dann nach erfolgter Installation von GhostBSD erledigen. Hierzu empfiehlt es sich, die entsprechenden Kapitel im FreeBSD-Handbuch zu lesen.
Um den USB-Stick zu starten werden mindestens 4 GB RAM benötigt, denn das Betriebssystem-Image wird komplett in den Hauptspeicher (RAM) eingelesen.
Wenn Sie GhostBSD auf Ihrem Rechner fest installieren möchten, klicken Sie auf das Icon 'Install GhostBSD'. Dann startet ein grafisches Installationsprogramm das selbsterklärend ist. Auf meinen drei Testrechnern gab es (außer mit der WLAN-Karte des Notebooks) keine Probleme bei und nach der Installation. Die komplette Hardware wurde automatisch erkannt und konfiguriert. Das installierte System war sofort einsatzbereit und startet automatisch in eine grafische Desktopumgebung. Die WLAN-Karte des Notebooks habe ich durch manuelle Konfiguration ans Laufen bekommen. Meine Testrechner haben alle Intel Celeron Prozessoren mit integrierter Intel HD-Graphics. Als Dateisystem wird ZFS fest vorgegeben.
GhostBSD verfügt über ein eigenes Repository, dass aber in bestimmten Zeitabständen (i.d.R. wöchentlich) mit dem FreeBSD Repository synchronisiert wird. Updates von FreeBSD kommen also mit etwas Zeitverzögerung in GhostBSD an. GhostBSD basiert auf dem STABLE-Zweig von FreeBSD (Stand Juli 2023: FreeBSD 13.2-STABLE). GhostBSD ist ein Rolling Release.
Alleinstellungsmerkmale von GhostBSD gegenüber FreeBSD
- Im Gegensatz zu FreeBSD wird bei GhostBSD automatisch eine grafische Desktopumgebung installiert
- Das System wird weitestgehend automatisch konfiguriert und ist direkt einsatzbereit
GhostBSD stellt die nachfolgenden grafischen Systemverwaltungstools bereit, die es unter FreeBSD nicht gibt:
Software Station

Software-Station ist ein grafisches Tool für die Paketverwaltung PKG. Mit dem Programm kann man Software suchen, installieren und deinstallieren. Es ist leider sehr langsam.
Update Station


GhostBSD informiert den Anwender automatisch, wenn Updates bereitstehen. Sehr gut ist, das vor dem Einspielen der Updates automatisch ein Backup des aktuellen Boot-Environments erstellt wird sofern man das automatisch gesetzte Häckchen bei der entsprechenden Option gesetzt läßt. Da es bei den FreeBSD-Updates häufig zu Fehlern kommt ist diese Option sehr sinnvoll. Nach einem fehlgeschlagenen Update kann man dann im GhostBSD Bootmanager unter dem Punkt 8 Select Bootenvironment ... das entsprechende Backup auswählen und das Betriebssystem bootet in den Zustand vor der Einspielung des Updates!
Backup Station

Ein weiteres sinnvolles Tool ist die Backup Station. Hier kann man ganz einfach Bootenvironments verwalten.
Auf die Frage, warum GhostBSD ein eigenes Softwarerepository betreibt und die Pakete nicht direkt von FreeBSD bezieht antwortete der Haupt-(und wohl auch quasi einzige Entwickler von GhostBSD) Eric Turgeon in einem Forum, dass er alle Updates persönlich qualitätssichert, da ja die Updates von FreeBSD häufig kaputte Systeme verursachen.
Ich verwende GhostBSD erst seit ca. 2 Wochen. Ich versuche meine täglichen Arbeiten mit GhostBSD zu erledigen. Bisher ist das sehr gut gelungen. Die bisher eingespielten Updates haben das System nicht kaputt gemacht ;-)
Mein Fazit zu GhostBSD
Mein erster Eindruck von GhostBSD ist positiv. Sofern die Hardware komplett von GhostBSD unterstützt wird, benötigt man kaum BSD-Kenntnisse um das System zu installieren. Ich habe den XFCE-Desktop so wie unter openSUSE Leap eingerichtet, und man merkt kaum einen Unterschied. Alle Programme, die ich unter Linux verwende sind vorhanden. Ich vermisse nichts.Stand heute ist GhostBSD für mich definitiv ein Kandidat um openSUSE Leap nach dem Supportende zu ersetzen.
Den 2. Teil dieses Berichts werde ich veröffentlichen, nachdem ich GhostBSD über einen längeren Zeitraum getestet habe.
Kontakt: mail@tkfibu.de
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